Der Arbeitsalltag in sozialen Organisationen verändert sich rasant. Digitale Tools, künstliche Intelligenz und flexible Arbeitsmodelle sind längst nicht mehr nur Themen für die Wirtschaft oder Tech-Konzerne. Auch dort, wo täglich mit und für Menschen gearbeitet wird – z.B. in Pflegeeinrichtungen, Kitas, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder sozialen Beratungsstellen – stellt sich die Frage: Wie gestalten wir Personal- und Organisationsentwicklung zukunftsfähig – ohne die Werte aus den Augen zu verlieren, die unsere Arbeit tragen? Und wie können wir unser Wissen sichern?
Wer offen für neue Wege ist, kann viel gewinnen: mehr Zeit für die eigentliche Arbeit, bessere Integration neuer Mitarbeitender, gezielteres Lernen und eine Stärkung der eigenen Organisationskultur.
Technologie als Unterstützung – nicht als Ersatz
Künstliche Intelligenz (KI) wird oft als rein technisches Thema wahrgenommen. Doch in der Personalpraxis kann sie eine echte Unterstützung sein – gerade in sozialen Einrichtungen, wo Zeit und Ressourcen oft knapp sind. KI hilft, Abläufe effizienter zu gestalten, Sprachbarrieren zu überwinden oder individuelles Lernen zu fördern. Auch für Träger mit begrenzten IT-Strukturen gibt es mittlerweile einfache, niedrigschwellige Lösungen, beispielsweise durch mobile Apps (für Mitarbeitende, die viel unterwegs sind) oder Cloud-basierte Plattformen. Letztere bieten eine einfache Möglichkeit, Dokumente zu speichern, zu teilen und gemeinsam daran zu arbeiten, ohne dass ein eigener Server benötigt wird.
Wertvolles Erfahrungswissen erhalten
Gabriele Riedmann de Trinidad (platform3l GmbH) machte beim HR Innovation Day deutlich, was auf viele Organisationen zukommt: In den nächsten zehn Jahren geht rund ein Drittel der Belegschaft in Rente – und laut Bundesverband mittelständische Wirtschaft sind 90 % des betrieblichen Wissens nicht dokumentiert. Der daraus entstehende Wissensverlust kann Unternehmen bis zu 2,5 Jahresgehälter kosten.
Um diesem Risiko zu begegnen, entwickelte sie eine KI-gestützte Plattform, die Erfahrungswissen aus Gesprächen in kleine, praxisnahe Lerneinheiten („Learning Nuggets“) übersetzt. Mitarbeitende müssen ihr Wissen nicht schriftlich festhalten – sie erzählen, die KI übernimmt die Strukturierung, Übersetzung in mehrere Sprachen und Anpassung an unterschiedliche Verständlichkeitsniveaus. Riedmann de Trinidad spricht von einer „Hyperpersonalisierung des Lernens“: Inhalte werden so aufbereitet, dass sie genau zu den individuellen Bedürfnissen, Vorkenntnissen und Sprachfähigkeiten der Lernenden passen. So entsteht aus gelebter Erfahrung ein nachhaltig wirksames Lernangebot – niedrigschwellig, mehrsprachig und passgenau. Ein Ansatz, der insbesondere in sozialen Organisationen mit hohem Einarbeitungsaufwand neue Chancen für Wissenssicherung, Integration und Fachkräftesicherung eröffnet.
Arbeit neu organisieren – auch jenseits klassischer Bürozeiten
Ein spannender Impuls von Guido Zander (SSZ Beratung) zeigte: Intelligente Systeme können helfen, Arbeitszeiten flexibler zu gestalten – nicht nur im Büro. Das Beispiel stammte zwar aus der Produktion, doch die Idee lässt sich übertragen. Auch in sozialen Einrichtungen, Pflege- oder Betreuungsdiensten, in Wohngruppen oder Notdiensten könnte mehr Flexibilität denkbar werden, wenn unterstützende Technik und Vertrauen in die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden zusammenkommen. Wo bisher feste Dienstpläne dominieren, entstehen neue Möglichkeiten für Mitbestimmung und selbstorganisierte Arbeitszeiten – für mehr Autonomie und Wertschätzung im Arbeitsalltag.
Neue Wege in der Personalsuche
Auch die Suche nach passenden Mitarbeitenden verändert sich, erklärte Wolfgang Brickwedde (Institute for Competitive Recruiting). KI kann bei der Auswahl von Bewerbungen unterstützen und administrative Prozesse erleichtern. Doch eines bleibt: Die Übereinstimmung mit Kultur, Haltung und Werten der Organisation lässt sich nicht vollständig automatisieren. Gerade in sozialen Organisationen entscheidet nicht nur die Qualifikation, sondern auch das Menschenbild, das wir teilen. Hier braucht es weiterhin menschliches Gespür und klare Kommunikation – insbesondere bei der Ansprache von Quereinsteiger*innen oder internationalen Fachkräften.
Werte als Fundament – auch im digitalen Wandel
Veränderung gelingt nur, wenn sie mit Haltung gestaltet wird. Das wurde auch in dem Workshop mit Sarah Brauns (Heart Job GmbH) deutlich, der sich mit der Frage beschäftigte: Wie werden unsere Werte im Alltag sichtbar und wie kommunizieren wir sie nach innen und außen? Denn Kultur zeigt sich nicht nur in Leitsätzen, sondern in Sprache, in Entscheidungen, in kleinen Momenten – auch im Kontakt mit Klient*innen, Angehörigen oder Kooperationspartnern.
Ein Blick über den Tellerrand – etwa nach Japan – eröffnet neue Perspektiven. Dr. Babette Sonntag (Die Innonautin) nannte Unternehmen wie Toyota oder Sony, die zeigen, wie tief verankerte Unternehmensphilosophien über Generationen hinweg wirken können. Vielleicht liegt auch hier ein Schlüssel für den Umgang mit dem oft zitierten Innovationsfrust: Nicht schneller, sondern bewusster handeln. Nicht nur mehr Technik, sondern auch mehr Klarheit darüber, wofür wir sie einsetzen.
Fazit: Personalentwicklung braucht Mut und Menschlichkeit
Soziale Organisationen stehen vor der Herausforderung, in einem dynamischen Umfeld handlungsfähig zu bleiben und gleichzeitig ihren Kern nicht zu verlieren. Neue Technologien können dabei helfen Wissen zu bewahren, Arbeit zu erleichtern und Vielfalt zu fördern. Doch sie entfalten ihr Potenzial nur dann, wenn sie mit Haltung und Verantwortung eingesetzt werden.
Die wichtigsten Erkenntnisse:
- KI kann den Arbeitsalltag entlasten: vorausgesetzt, sie wird sinnvoll eingebunden.
- Erfahrungswissen ist ein Schatz: Plattformen zur Wissenssicherung können helfen, ihn zu bewahren und im Unternehmen zugänglicher zu machen.
- Flexiblere Arbeitszeiten sind auch in sozialen Einrichtungen denkbar: mit der richtigen Technik und Vertrauenskultur.
- Bei aller Digitalisierung: Werte, Haltung und Kommunikation bleiben das Fundament guter Personalarbeit.
Die Arbeit mit Menschen verändert sich – und mit ihr die Art, wie wir Organisationen führen, Mitarbeitende begleiten und Lernen ermöglichen. Jetzt ist der richtige Moment, um den Wandel aktiv zu gestalten.
Karolin Amlung und Saskia Engler besuchten den HR Innovation Day im Rahmen des Projektes „WEITER – Transformation durch Weiterbildung”. Die Veranstaltung bot wertvolle Impulse für die Arbeit an zukunftsfähiger Personal- und Organisationsentwicklung in sozialen Einrichtungen.
